Okay, mit Motorradfahren hat Venedig wenig zu tun. Fahrbare Untersätze sind hier nicht erlaubt, nirgendwo, nicht mal Mofas oder Fahrräder und das in einer italienischen Stadt?! Also muss es wohl abgestellt werden. Eine Möglichkeit ist eines der Parkhäuser auf der Piazzale Roma. Dort steht es gut, für satte 15,- Euro (Stand 2016) pro Tag und es ist möglich bedenkenlos das Gepäck ebenfalls am Motorrad zu lassen. Zumindest wird es vom Personal des Parkhauses so versprochen.
Eine Reise ist Venedig aber auf jeden Fall wert, wer diese Stadt noch nicht gesehen hat, hat etwas verpasst. Sicher, sie ist völlig überlaufen, die Massen schlängeln sich an den Hauptrouten in Richtung Piazza San Marco und so fragt man zurecht, warum soll ich mir das antun. Die Antwort ist einfach, weil es einmalig ist.
Sprechen wir hier von Venedig, ist eigentlich nicht das gesamte Stadtgebiet gemeint, das erstreckt sich bis auf das Festland und umfasst zusätzlich viele weitere Inseln. In diesem Artikel wird ausschließlich auf das historische Stadtzentrum fokussiert, das sich in der Lagune befindet. 2012 hatte dieses Zentrum knapp 30.000 Einwohner.
Venedig ist ein Gefühl
Venedig riecht – nicht immer wohlig, Venedig lebt – manchmal zu laut und Venedig ist authentisch, trotz der Überfrachtung mit Touristen! Im Sommer ist es nie angenehm kühl in der Stadt und wenn man innerhalb der Lagungenstadt übernachtet, wird die Sommerwärme von den Wänden reflektiert und die Nachtkühle hat es schwer die aufgeheizten Mauern zu entlasten, um etwas Frische zu bringen. Bei offenen Fenstern zu schlafen macht in der Stadt nur dann Sinn, wenn die Fenster zu einem Hof zeigen oder die Menschen, die zu Besuch waren, die Stadt bereits verlassen haben. Und auch dann wird es nicht wirklich ruhig. Wer schlafen will, wird ausgelacht, von Möwen. Woher die Lachmöwe ihren Namen trägt, wird hier deutlich. Vor allem in der Nacht sind diese Tiere unter Umständen eine Plage. Die Geräusche der Lachmöwen sind zum Teil mit dem eines weinenden Kindes, dem einer schreienden Katze oder dem Auslachen vergleichbar. Mal leiser, mal lauter, aber immer präsent. Am besten genießt man die Stadt also von 0 bis 24 Uhr und lässt sich auf das stetige Lärmen und Treiben ein.
Und gerade deshalb ist diese Stadt so einzigartig und faszinierend. Ihr morbider Charme, der auf der mittelalterlichen Bausubstanz begründet ist, ist beeindruckend. Jedes einzelne Haus möchte seine Geschichte erzählen, das fordert, so sehr, dass es schwer fällt, sich dieser Stadt überhaupt zu nähern. Sie überfordert den ein oder anderen kulturell, dass nur der Weg zur Piazza San Marco möglich erscheint. Und auch das ist in Ordnung für Venedig. „Die Welt“ sieht den Massentourismus in einem Artikel eher kritisch.
Stadtbild Venedig
Die gesamte Stadt ist auf Holz und Sand gebaut, der unter dem Sand befindliche Lehm trägt die Holzpfähle und da diese unter Wasser liegen, verrotten sie auch nicht über die Jahrhunderte. Venedig war im Mittelalter das europäische Handelszentrum. Hier wurde teure Seide aus China genau so gehandelt, wie die wertvollen Gewürze aus dem Orient. Zum Teil gab es Monopole, die nur Venedig den Handel zusicherten. Zu der Zeit war Venedig eine Republik. Alles was kostbar und von Ferne über den Seeweg nach Europa kam, wurde also in Venedig umgeschlagen. Die Republik Venedig war eine große Seemacht und hatte Ansehen in der ganzen Welt.
Kunst in Venedig
Heute ist von dem vergangenen Glanz und den Einflüssen aus dem Orient noch viel zu spüren. Die Häuser sind mit reichen Marmorverkleidungen und Marmorbögen, teils als Spitzbögen ausgestaltet, verziert. Die Ausgestaltung der zahlreichen Kirchen im Stadtbild ist unglaublich und es sind klangvolle Namen, die die venizianische Schule geprägt haben und Ihre Spuren bis heute hinterlassen haben.
Im Berich des Erdgeschosses der Palazzi – der Häuser der Stadt – sieht man häufig die unverputzen Ziegelmauern, die so typisch sind für Venedig. Der Tourist wird diese Mischung aus gelben und roten Ziegeltönen noch lange im Kopf behalten und immer mit Venedig verbinden. Ebenfalls werden sich die Brücken im Labyrinth von Venedig einprägen. In der Lagune gibt es ca. 400 Brücken, die die verschiedenen Inseln verbinden. Die berühmteste ist die Rialto Brücke, die bis 1854 die einzige Verbindung über den Canal Grande war. Der Canal Grande ist der Hauptfluss durch die Lagune und die Hauptverkehrsader, denn der Verkehr findet hier per Boot statt. Jeder Venezianer besitzt ein Boot um sich bewegen zu können, der Tourist läuft die Wege in der Stadt oder nutzt eine der Gondeln, die besonders romantischen Paaren ein unvergessliches Erlebnis bescheren.
Morgenstimmung in Venedig
Der Morgen ist in Venedig ruhiger. Ab 6 Uhr sind die ersten Menschen zur Arbeit unterwegs, aber das sind wenige. Sie begrüßen sich fröhlich, trinken ihren ersten Café an der Bar ihres Vertrauens. Ab 7 wird es etwas geschäftiger, aber es sind immer noch die Einheimischen und Arbeitenden, die ihren Morgen beginnen. Erst ab 9 beginnt dann der Strom der Venedigpilger zu fließen. Sie kommen von der Piazzale Roma, wo sie per Bus, Auto oder Schiff ankommen oder von der Bahnstation St. Lucia. Beide Plätze befinden sich in unmittelbarer Nähe zueinander. Von dort gibt es unzählige Schilder und Möglichkeiten, San Marco zu erreichen. Wer fußkrank ist, nimmt ein Vaporetto. Wer den Mut hat, sich abseits der Haupttrasse zu bewegen wird erstaunt sein, wie wenig Chancen sich ergeben, wirklich alleine oder in Ruhe zu laufen. Immer ist ein Tourist da, immer wird in den nächsten Minuten ein anderer um die Ecke schauen. Alleine ist man in Venedig nie, auch nicht in den kleinsten Gassen.
Piazza San Marco
Was also suchen die Menschen, die Venedig besuchen, Ruhe ist es sicher nicht. Eher die Kultur und da lockt vor allem die Piazza San Marco, mit der entsprechenden Basilika an. Der Markusdom ist, neben den zwei Granitsäulen, sowie dem Dogenpalast und dem Uhrenturm die Hauptattraktion des Platzes. Der Platz selbst steht von Zeit zu Zeit immer wieder unter Wasser, Hochwasser ist keineswegs unüblich in Venedig und so kann es vorkommen, dass der Besucher nur auf erhöhten Plattformen bis zu den Sehenswürdigkeiten vordringen kann.
Die Piazza San Marco, zu Deutsch der Markusplatz, gilt als einer der schönsten Plätze der Welt. Er ist in Venedig der einzige Platz, der sich Piazza nennt, alle anderen Plätze nutzen die Verniedlichungsform Piazetta oder Piazzale für Piazzale Roma. Auf der Piazza San Marco findet sich so viel christianische Kultur, wie kaum an einem anderen Ort. Ihr heutiges Aussehen verdankt der Platz dem Dogen Sebasiano Ziani (der Doge war das Staatsoberhaupt der Republik Venedig), der im 18. Jahrhundert einen Kanal, der den Platz teilte, trocken legen und die Renaissancebauten um den Platz erbauen lies.
Markusdom
Diese Kirche ist die Hauptkirche Venedigs. Sie beherbergt so viele Schätze und Sehenswürdigkeiten, wie keine andere Kirche der Stadt. Die Herkunft der Schätze ist allerdings häufig umstritten und ihr Erwerb meist nicht ganz rechtmäßig, bzw. kriegerisch geschehen. So wurde die Quadriga, die die Fassade schmückt, häufiger hin und her gestohlen, bis sie letztendlich ihren Platz auf dem Sims der Fassage des Markusdoms fand. Heute ist es eine Nachbildung, deren Original aber im Inneren der Kirche zu bewundern ist. Überhaupt, die Fassade, hier könnte man alleine Stunden verbringen um diese genauer betrachten. Bildreiche Motive laden dazu ein und während man auf Einlass wartet, manchmal über eine Stunde, hat man ausreichend Zeit, genau das zu tun.
Im Inneren sind viele Mosaike zu bewundern, die ihren Ursprung oftmal im orientalischen Raum haben. Auch sehr sehenswert ist das Altarbild Pala d’oro – zu Deutsch „goldenes Altarbild“. Es ist mit zahlreichen Emaillebildern und Emaillemedallions ausgestattet und hat eine Abmessung von 3,45m x 1,40m. Wer sich für den Reichtum der Kirche begeistern kann, wird hier wirklich fündig.
Angenehm ist auch, dass Studenten in quasi allen Sprachen der Welt durch die Kirche führen. Wie in Italien üblich, gewohnt unprätentiös und nicht zu überkirchlich. Der Besucher muss allerdings darauf achten, dass seine Schultern und Knie bedeckt sind, soviel Ehrerbietung an die Christliche Kultur muss dann doch sein.
Uhrenturm
Die meisten Besucher des Markusplatzes kommen direkt durch den Uhrenturm aus dem 15. Jahrhundert auf den Platz. Ein Bogendurchgang direkt unterhalb des Turmes führt den Besucher auf den Platz. Dreht man sich dann um, erhält man den Blick auf diesen wundervollen Turm. Die Uhr selber, dient nicht nur der reinen Zeitanzeige, sie ist zeigt ebenfalls die Mond- und Sonnenphase und das Tierkreiszeichen an. Das Ziffernblatt aus Lapislazuli bedarf besonderer Beachtung.
Dogenpalast
Der Dogenpalast ist seit dem 9. Jahrhundert das Regierungsgebäude der Republik Venedig gewesen. Hier wurde regiert und auch das Gericht hatte hier seinen Sitz. Die angrenzenden Gefängnisse können bei einem Rundgang besichtigt werden. Beeindruckend ist die Ausstattung der Räume, die den Baustil Venedigs eindrucksvoll zeigen und die Kunstfertigkeit der Venezianer und der eingeladenen Künstler darstellen. Der Dogenpalast ist so umfangreich und so sehenswert, dass ein Besuch unbedingt zu empfehlen ist.
Seufzerbrücke
Die Seufzerbrücke darf in dieser Liste nicht fehlen. Ist sie doch ebenfalls eine der Hauptatraktionen der Lagunenstadt. Nicht direkt am Markusplatz gelegen, aber in direktem Zusammenhang mit dem Gefängniskomplex des Dogenpalast. Die zum Tode verurteilten mussten über diese Brücke gehen und ihr letzter Seufzer gab der Brücke seinen Namen.
Granitsäulen
Die Granitsäulen, die den Markusplatz zum Canal Grande hin abschließen, stehen auf dem Seitenplatz des Markusplatzes, der Piazetta San Marco. Beide Säulen sind den Schutzheiligen der Stadt Markus und Theodor gewidment. Eine trägt den Markuslöwen, die andere den heiligen Theodor, der einen Drachen tötet. In der Zeit der Republik wurden hier Staatsgäste empfangen und Hinrichtungen durchgeführt.
Kirchen in Venedig
Um aber vom Bahnhof oder Parkplatz zum Markusdom zu gelangen, muss man einige Gassen durchqueren. Hier wird man von den allgegenwärtigen Händlern und Restaurants aufgefordert, sein Geld da zu lassen, entweder für den Schmuck aus Muranoglas, diversen Touristenkitsch oder für eine Mahlzeit in einem der meist klimatisierten Restaurants.
Wer den Blick aber mal zu den Häusern am Wegesrand aufsteigen lässt, wird bald bemerken, dass jeder Stadtteil in Venedig eigene Kirchen zu bieten hat. Diese Kirchen gehen häufig unter im Run auf den Markusplatz. Das ist schade, haben sie doch namhafte Künstler gehabt, die sie ausgestattet haben. In Vorbereitung auf den Urlaub tut es nicht schlecht, sich mit den Kirchen auseinander zu setzen. Eine Empfehlung halte ich für überflüssig, jede Kirche hat seinen Reiz und die großen Namen sind nicht immer die wichtigsten.
Inseln in Venedig
Das Venedig im Meer liegt ist ja nun hinlänglich bekannt. Neben dem Hauptkern gehören noch weitere Inseln zur Stadt. Zu nennen, weil touristisch interessant, ist allen voran Murano. Das Glas aus Murano ist weltweit bekannt und die Millefiori eine Technik, die hier ihren Ursprung hat. Noch heute kann man in den Glasbläsereien die handwerkliche Arbeit vergangener Jahrhunderte bewundern. Natürlich hat auch in Italien längst das Pressglas Einzug gehalten, aber auf Murano haben sich die Kunst-Glasbläsereien gehalten und großartige Künstler geben sich z.B. bei Venini die Klinke in die Hand um den großen Namen der Manufaktur zu nutzen. Sehenswert!
Bienale
Alle zwei Jahre wird Venedig zur Welthauptstadt der Kunst. In den Jahren mit ungerader Jahreszahl stellen unzählige Künstler ihre Werke aus. Die Stadt atmet dann Kunst. Die Länder stellen dabei in einzelnen Pavilions ausgewählte Künstler aus. Die Stadt ist völlig überlaufen und schläft zu dieser Zeit endgültig nicht mehr. Für Kunstinteressierte ein MUSS! und wer sich interessiert, der kennt die Bienale und findet Information auf den einschlägigen Seiten.
Karneval in Venedig
Dazu gibt es nichts zu sagen, außer – übervoll, Volksfest, große Gaudi. Wer es mag, kann sich im Karneval in Venedig zu Gemüte führen. Es ist ein riesiger Maskenball und sicherlich sehenswert. Dies ist eine sehr persönliche Sichtweise, wenn ich sage, dass mir der Massenansturm zu groß ist und ich diesen Auflauf lieber auf der Website genieße. Ich den Besucher aber gut verstehen, der in den Massen untertaucht um für einen Tag eine Maske zu tragen und ein anderer zu sein. Auch außerhalb des Karnevals sind die Masken in allen Auslagen zu sehen und erinnern zum Beispiel an die Zeit der Pest. Der Karnevall ist neben einem großen Volksfest auch ein kulturelles Ereignis.
Venedig für alle
Wer sich der Stadt wirklich nähern will benötigt Geduld und Liebe zur italienischen Seele und eine Menge Zeit. Wer dann aber sein Herz an die Stadt verschenkt, der kommt immer wieder.
Dieser Bereicht gibt auch lange nicht alles her, was hier zu sehen ist. Es fehlen die Museen und auch die Märkte. Es fehlen die vielen besonderen Gassen, Plätze und Palazzi. Es fehlt auch die Sicht auf die Einheimischen, die Arbeitspendler und das Leben in der Stadt. Besucht die Stadt, erspürt sie selbst, sie ist wunderbar.
Venezia, tu mi piaci!
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.